Szene & Events
Zur Eventübersicht03.03.2021
Überraschendes Ergebnis
©
Arthrose-Studie des Netzwerks Physio Aktiv vorgestellt
Professor Klaus Baum, wissenschaftlicher Beirat des Physio Aktiv-Netzwerks, hatte mit diesem Endergebnis nicht gerechnet. Das betonte er ausdrücklich, als er am 19. Dezember 2020 die Resultate einer Studie vorstellte, die in den Physiotherapie-Praxen des Netzwerks durchgeführt worden war.
Erst ein paar Tage vor der Video-Konferenz mit Thilo Stumpf von Physio Aktiv und Wolf Harwath von five war die Studie in einem englischen Fachmagazin nach einem Peer Review publiziert worden – im Journal of Applied Life Sciences International. Die von ihm geleitete Arthrose-Studie war zwar bereits Anfang 2020 abgeschlossen worden, doch Corona bedingt hatte man sich für eine spätere Veröffentlichung entschieden – zumal die Untersuchung Überraschendes zutage brachte.
Thilo Stumpf dankte allen Partnern aus dem Netzwerk Physio Aktiv, die für die Wissenschaft mal wieder gemessen und fleißig Daten erfasst hatten. Die Auswertung erfolgte durch Professor Klaus Baum zusammen mit einem Statistiker, Uwe Hofmann, und einem Schmerzspezialisten, Fritjof Bock.
Fragestellung der Studie
Zahlreiche Untersuchungen zur Gonarthrose sprechen sich für Bewegung bei Arthrose aus. Aber die Evidenz von Training konnte bisher nicht erbracht werden. Das verwundert insofern nicht, da der Teufelskreis Arthrose nicht auf der Schädigung des Gelenks basiert, sondern mit den Schmerzen beginnt.
Die Studie, zu der die Praxisinhaber im Netzwerk Physio Aktiv aufgerufen worden waren, ging der Hypothese nach, ob gezielte Bewegung zu weniger Schmerzen und mehr Lebensqualität führen könne. Kann Belastung zu einer Schmerzreduktion führen? Was passiert bei regelmäßigem Training?
Der Frage des wissenschaftlichen Studienleiters Professor Klaus Baum entsprechend hatte Thilo Stumpf der Video-Konferenz den Titel gegeben: „Belastungsbedingte Analgesie. Finale Ergebnisse der Arthrosestudie aus erster Hand.“
Aufbau der Studie
In den Einrichtungen der Mitglieder von Physio Aktiv wurde von drei unterschiedlichen Trainingsinterventionen – Upper-/Lower-/Whole Body Training – jeweils nur eine angeboten. Eine Praxis ließ die Probanden die Beine mit der betroffenen Knieregion (LBT=Lower-Body-Training) trainieren, eine andere allein den Oberkörper ohne Belastung der Knieregion (UBT=Upper-Body-Training) und eine dritte eine Kombination aus LBT und UBT (WBT=Whole-Body-Training).
Die Block-Randomisierung war der Tatsache geschuldet, dass es praktisch nicht möglich ist, mehreren Patienten einer Einrichtung unterschiedliche Trainingsformen anzubieten. Also: 1 Praxis – 1 Training.
Mittels des WOMAC-Fragebogens wurden nach vier und nach acht Wochen die Aussagen der Trainierenden zur körperlichen Funktion, zum Schmerz und zur Beweglichkeit dokumentiert. Insgesamt nahmen 372 Arthrose-Patienten an der Studie teil.
Ergebnisse der Studie
Die Auswertung ergab eine signifikante Verbesserung in allen drei Interventionsformen. Selbst das Training des Oberkörpers allein, das Upper-Body-Training, hatte positive Effekte noch vor dem Lower-Body-Training – zum großen Erstaunen des Studienleiters Professor Baum. Denn eigentlich hatte er in der Studienkonzeption das Oberkörpertraining lediglich als Kontrollgruppe eingestuft.
Das Kombinationstraining liegt erwartungsgemäß vorne, aber ganz unerwartet das Beintraining hinten.
Klinisch bedeutsam ist noch dazu, dass nicht jeder vom Training profitierte. Es gab durchaus auch Verschlechterungen. Die Möglichkeit liegt zwischen 10 und 20 Prozent.
Therapeutische Konsequenz
Auf die Frage von Wolf Harwath, welche Schlüsse daraus gezogen werden könnten, resümierte Professor Baum seine Empfehlungen für Patienten mit Gonarthrose:
››› Kraft-Ausdauer-Training im gesamten Zirkel
››› Verzicht auf die Maximalkrafttestung der Kniebeuge- und der Streckmuskulatur
››› Initial die Beinmuskulatur gering belasten, d.h. Training mit geringer Intensität und niedrigen Winkelgeschwindigkeiten
››› Intensität langsam in Absprache mit dem Patienten steigern
Diskussion der Studienergebnisse
Wolf Harwath fragte nach, wie er, Professor Baum, sich die Ergebnisse erkläre. Könnte das an der allgemeinen Schmerzhemmung liegen? Der Studienleiter räumte ein, dass er als Physiologe sehr mechanistisch gedacht hätte. Aber die Schmerzreduktion basiere auf einem geringeren Schmerzempfinden durch systematisches Training. Das habe in erster Linie mit der veränderten Wahrnehmung des Schmerzes zu tun.
Ob dabei Myokine oder andere Botenstoffe eine Rolle spielen, wollte und konnte Professor Klaus Baum nicht ausschließen. Auch eine Gewichtung der Items Schmerz, Beweglichkeit und körperliche Funktion des WOMAC-Fragebogens nach Wichtigkeit wollte er nicht vornehmen. „Das ist ein rein mechanisches Denken. Aber wenn du mich fragst, was ist bedeutsam, dann ist es die körperliche Funktion und der körperliche Schmerz“, antwortete er auf Nachfrage Wolf Harwaths.
Die Hinwendung zur individualisierten Therapie
Doch das stand für den Physiologen Baum nicht im Vordergrund. Er appellierte an die Therapeuten, die Patienten in die Aktivität zu bringen, das sei das Wichtigste. „An alle: Hört auf, rein mechanistisch zu denken!“ Viele Untersuchungen hätten gezeigt, dass es eine Entkopplung der körperlichen Lebensqualität von der mentalen Lebensqualität gebe.
Zudem müsse das Training individuell auf den Patienten abgestimmt werden. Um ihm die Angst vor den Kniearthrose-Schmerzen zu nehmen, sei es durchaus ratsam, den Betroffenen anfangs in ein schmerzfreies Oberkörpertraining zu bringen. Und erst wenn der Arthrose-Patient es wolle, könne mit einer geringen Belastung in das Beintraining übergegangen werden.
Der Wissenschaftler forderte: „Wir brauchen bei einer klaren Indikation individuelle Konzepte.“ Das sei dem Resultat geschuldet, dass es neben Verbesserungen genauso Verschlechterungen durch das Training gebe. Ein starres Therapiemuster führe nicht zum Erfolg. Hingegen ermöglichten variable Therapiemuster und eine eingehende Patienten befragung eine Individualisierung der Therapie.
Fazit: Aktiv werden, auf Patienten und Ärzte zugehen
Und wie erreichen die Physiotherapeuten die Arthrose-Patienten? Die Betroffenen gehen in erster Linie zum Arzt, werden medikamentös behandelt und nicht selten führt sie ihr Weg letztlich in den OP. Was tun?
Wolf Harwath hatte eine Antwort: Selbst aktiv werden. Wissenschaftliche Arbeiten, wie die Ergebnisse der vorliegenden Arthrose-Studie von Professor Klaus Baum seien genau aus diesem Grund so wichtig! Sein Fazit: „Immer mehr sollen verstehen, dass Training die beste Pille ist!“
Reinhild Karasek
Neueste Erkenntnisse zur Arthrose
››› August 2020: Auf dem Rheumakongress EULAR wurde eine norwegische Studie zur Arthrose vorgestellt. Die Ergebnisse belegten, dass ein spezielles Bewegungsprogramm unter Anleitung von Physiotherapeuten die Lebensqualität verbessern und eine Gelenkersatz-OP verzögern kann. Es nahmen 393 Arthrose-Patienten teil, 284 in der Interventionsgruppe, 109 in der Kontrollgruppe in einem Untersuchungszeitraum von 8 bis 12 Wochen.
Nina Osteras, Tuva Moseng et al.: Higher quality of care and less surgery after implementing osteoarthritis guidelines in primary care – long-term results from a cluster randomized controlled trial, DOI: 10.1136/annrheumdis-2020-eular.3575 3575
››› November 2020: Die Deutsche Gesellschaft für Endoprothetik (AE) nannte in einer Online-Pressekonferenz Zahlen: Weniger als die Hälfte der Arthrose-Patienten erhielten eine Krankengymnastik und physikalische Therapien und nur etwa 60 Prozent eine geeignete Schmerztherapie. Die Patienten sollten aktiv ihren Arzt darauf anzusprechen.
‹ Zurück
Ernährung & Wellness
03.12.2025
Akustik unterstützt Heilungserfolg
02.12.2025
Stärkung der Marktpräsenz
EGYM Wellpass ab sofort in zahlreichen clever fit-Studios in Österreich verfügbar
27.11.2025
Prädiabetes
Die stille Gefahr, die selbst Sportler kennen sollten!
20.11.2025
Training als wichtiger Longevity-Baustein
Best Practice Longevity Medical Campus in Potsdam





